| „LIEBEN
UM GELIEBT ZU WERDEN“
-Gedichte mit Bildern- von Emina Cabaravdic Kamber
Edition europa 1
Besprochen von:
Jutta Heinrich
Ein schmaler Lyrikband, die Sprache zart, empfindsam, gehalten und umrahmt
von Bildern, kräftig in den Farben, aber doch sämtlich in Zwischenbereichen
angesiedelt. Emina Kamber ist eine jugoslawische Künstlerin, die
mit Texten und Bildern in Einklang lebt.
Kein Wort, kein Satz ist im uns bekannten Sinne stichhaltig, klagend oder
behauptend. Was sich hier im Zentrum der Worte mitteilt, ist eines niemals:
Besserwisserei! Es sind eher Botschaften, Zeichen und Signale aus der
gelebten Vergangenheit einer Lebens-Poetin, die Andere immer ernster nimmt,
als sich selbst.
Das Bewegende an den kurzen Gedichten ist, dass sich der Weg der Lyrikerin
bis hin zu diesen Resultaten immer auch preisgibt. Wir haben teil.
Aussagen, Wünsche und Sehnsüchte sind keine Ruinen aus alten
Denklandschaften; die poetische Einfachheit ist Klangkörper einer
sorgsamen Authentizität.
Es sind Erfahrungen und Wortbilder, die weniger mit Reflexion, als mit
dem Vermögen und Willen zum Vergeben zu tun haben.
Ein Hauch von undefinierbarer Größe aus Bescheidenheit setzt
die schriftlichen Gedanken.
Es ist, als läge den Gedichten ein anderes, uns fremderes Verknüpfungsmuster
zugrunde, eine behutsame Distanz zu sich, eine kühle Innigkeit und
Innerlichkeit, die aus dem Fremden die Substanz zur Würde bezieht.
Die vorherrschende Stimmung der Zeilen ist von stiller Beharrlichkeit
gekennzeichnet, als müsste sich die Autorin das Unverzeihlichste
vom Leibe schreiben: das Geheimnis eines anderen Menschen verletzt zu
haben oder zu verletzen.
Und wenn sie schreibt: „ ....sich dazugehörig zu fühlen
wo das Gesetz heisst, Mensch zu sein, nichts anderes“.......und
weiter „ ...in deiner Bescheidenheit liegt deine Größe“....dann
könnte dies auch die Lyrikerin über sich selbst geschrieben
haben, aber eben nur, wenn sie unbescheiden wäre. Gemeint ist hier
ein realer Ort.
Selbst in den Zwischenräumen atmet eine angemessene Ratlosigkeit
und ein Wissen um Irren, und man wird daran erinnert, dass Leben mit Schicksal
zu tun hat und dass unser gepriesenes Bewusstsein doch kaum mehr ist,
als eine endlose Denk- und Wortstrickleiter ins Dunkel des Unerklärlichen.
In dem Land, aus dem die Autorin kommt, ist Krieg, und natürlich
lese ich heute den Satz: „Du umhüllst deine Tradition mit anderem
Gewand...“ mit irritierter Aufmerksamkeit und Besorgnis und halte
mich fest in der Gedankenhilfe: „ ... ohne uns voneinander zu unterscheiden“...
Denn muss nicht das Fremde und Ausgestoßene erst unser aller Einunddasselbe
werden, damit es gewaltlos getrennt von uns ein Gleiches sein und bleiben
kann?
Je heftiger und quälender ein SELBST-Bild trägt, umso rabiater
muss ein FREMD-Bild abgewehrt werden.
Nicht in Utopien, in Ideologien, in Lebensdiktaturen wird sich unsere
Zukunft entscheiden, sondern in den Köpfen und den Herzen eines jeden
Einzelnen, einer jeden Einzigartigen.
Die tiefverwurzelte Offenheit, die aus diesem Lyrikband spricht, ist vielleicht
nicht viel mehr als ein LICHT-Blick, was unerhört viel ist.
Jutta Heinrich-Schriftstellerin-Hamburg
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