Eröffnungsrede zur Präsentation des Buches

Ich hätte dich gern lachen sehen

( von Heinz Auernig )

Die Menschen identifizieren sich in ihren Empfindungen mit dem Negativen, behauptete der erste große Lebensphilosoph: Arthur Schopenhauer. Haben wir Schmerzen, leiden wir darunter, jammern, klagen und fühlen uns schlecht. Haben wir keine Schmerzen, denken wir keine Sekunde daran, uns überhaupt zu freuen, es sei denn, wir werden mit dem Schmerz anderer konfrontiert. Sind Glück, Freude und Wohlbefinden also die Abwesenheit von Schmerz? Und registrieren wir, dass es un gut geht, nur wenn wir sehen, dass es anderen schlecht geht? Nein, natürlich nicht, werden Sie jetzt antworten, wir empfinden Glück und Freude beim Anblick spielender Kinder, einer schönen Katze oder einer Blumenwiese, beim Ansehen und Schmecken von gutem Essen und Wein, oder auch wenn ein Grazer Fußballklub nach über hundert Jahren endlich österreichischer Meister wird und der andere Klub, dem das schon gelungen ist, sich im letzten Moment vor dem Abstieg retten kann.
Sind Sie sicher? Ist das alles nicht relativ?
Natürlich, werden Sie sagen. Wenn einer keine Katzen und Kinder mag und auf eine Blumenwiese – wie vor allem jetzt im wunderschönen Monat Mai – nur allergisch reagiert, wenn einer keinen Wein trinkt, gutes Essen für Verschwendung hält und beim Fußball, sofern er ihm überhaupt etwas abgewinnen kann, nur für eine Farbe schwärmt und von der anderen glaubt, sie aus Gründen der Rivalität hassen zu müssen; wenn das ALLES NICHTS ist für ein Individuum, dann wird es doch sicher irgend etwas anderes geben, das ihm Freude macht und es glücklich macht.

Warum freuen wir uns nicht gewusst darüber, gesund zu sein und keine Sorgen zu haben?
Vor einigen Jahren hatte ich ein bisschen Liebeskummer, der dann von einem Brief der Bank jäh unterbrochen wurde. Ich dachte mir: „ Der Liebeskummer war gar nicht so schlecht im Vergleich mit dem dicken Minus auf dem Konto.“

Schön langsam könnten Sie sich fragen, warum ich Ihnen das alles erzähle: Nicht weil ich gerade Kopf- oder Zahnschmerzen habe, auch keinen Liebeskummer, und über meinen Kontostand will ich lieber Schweigen bewahren, sondern weil wir Ihnen heute Abend ein Buch präsentieren möchten, auf dessen Rückseite steht:

„Friede ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Deshalb ist dies eine Friedens-Anthologie, nicht bloß ein Anti-Kriegsbuch.“

Die Herausgeberin ist Emina C.-Kamber, die ich hiermit begrüßen darf, wie auch die Verlegerin Astrid Kubowsky.

Emina Kamber veröffentlichte vor einigen Jahren ein Anti-Kriegsbuch, das vor einem Krieg im zerfallenden Jugoslawien warnte und als die Warnungen ungehört blieben, die grausamen Jahre dieses Krieges dokumentierte, das „ Hamburger Kriegstagebuch“. Für ihr großes Engagement gegen diesen Krieg wurde sie mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt.
In seiner Textartenvielfalt steht dieses Buch in der Tradition eines anderen großen Anti-Kriegsbuches, dass sich damals als Theaterstück tarnte, aber aufgrund seines Umfanges immer nur gekürzt auf der Bühne zu sehen ist: „ Die letzten Tage der Menschheit“ von
Karl Kraus.
Der Untertitel des Hamburger Kriegstagebuchs lautet: „ Die Blutige Epoche Ex-Jugoslawiens 1991 – 1995 „.Wir identifizieren diese Epoche vor allem mit den Gräueltaten in Bosnien und Herzegowina, der Heimat der Autorin und Herausgeberin. Das Stück von Karl Kraus beginnt zwar in Wien, am Ringstraßenkorso. Die Nachricht, die ein Zeitungsverkäufer dort in die Menge schreit, stammt aber aus der bosnischen Hauptstadt Sarajevo:
„Eeextrablatt! Thronfolga ermordet!“
Der Rest ist bekannt und Geschichte: einen Monat später begann ein Krieg, der zum ersten Weltkrieg wurde. Ein zweiter folgte und seit dieser zu Ende ist, leben wir hier in Österreich
„ in Abwesenheit des Krieges „. Schopenhauer würde sagen, wir wissen das nicht zu schätzen, höchstens ein wenig, wenn wir den Krieg bei den anderen sehen. Am meisten schätzen wir unseren Frieden, wenn wir den Krieg bei den Nachbarn sehen. Dann spenden wir für die Nachbarn in Not.

Die Lyrik-Anthologie „ Ich hätte dich gern lachen sehen „ will aber eben mehr vermitteln, als das vage Glücksgefühl der Abwesenheit von Schmerz: „ Der Frieden ist mehr (...), er ist die Voraussetzung für die Zukunft des Menschen“, heißt es dort weiter. Und wie sehr richtig und wichtig dieser Satz ist, erleben wir in der Gegenwart täglich durch die Kriegsberichterstattung aus dem Orient, den wir den ‚ Nahen Osten ‚ nennen, wobei sich die Frage stellt, wie nache uns dieser Osten wirklich ist. Es sollte es sein.

Die in dieser Anthologie vertretenen Lyriker stellen sich also in den Dienst des Friedens, beschreiben die große Aufgabe, aus ihm etwas zu machen. Sie stammen aus verschiedenen Ländern, aus Deutschland, dem Iran, aus (dem damaligen) Jugoslawien und Italien und leben heute in Schweden, Kroatien, Österreich, Bosnien und Deutschland, die einen freiwillig oder halb freiwillig, die anderen nicht.

Emina Kamber gehört zu den ersteren: Als einziges von elf Kindern verließ sie ihre bosnische Heimat und ging mit 21 Jahren nach Hamburg. Seit 1984 ist sie dort als freie Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalisten tätig. Sie veröffentlichte Lyrik und Kurzprosa in mehreren Sprachen, zum Teil mit eigenen Illustrationen und auch eine CD mit Sevdah, mit bosnischen Liebesliedern, von denen sie uns nach der Lesung einige zu Gehör bringen wird. Diese CDE finden sie gleichfalls am Büchertisch, wie auch ein weiteres soeben erschienenes Buch über die Arbeit Emina Kambers mit „ Kindern in Bosnier-Herzegowina nach dem Kriege“, wie sie ihre Dokumentation „ Wenn die Granaten fallen bleibt dein Herz stehen“ im Untertitel nennt. Hier sind zahlreiche Ergebnisse der jahreslangen Arbeit mit Kindern in der Malschule für Textildesign in der bosnischen Stadt Kakanj abgebildet und auch literarische Reflexionen der Kriegszeit zu finden.
Emina Kamber ist heute Ausländerbeauftrage des Verbands deutscher Schriftsteller auf Bundesebene und 2. Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller Hamburg.

Der Mitherausgeber Uwe Friesel erwähnt in seinem Vorwort zur Friedensanthologie einen Aufsatz Immanuel Kants aus dem Jahr 1795, der den Titel Zum ewigen Frieden trägt. Kant spekuliert darin mit einem verbindlichen Völkerrecht als Voraussetzung für den andauernden Frieden, dessen höchstes Prinzip lauten müsse:
„ Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewaltsam einmischen.“
Ein solches Verhalten traute er aus der damaligen politischen Perspektive aber nur demokratischen Republiken zu, deren erste einige Jahre zuvor entstanden war und deren aktueller Präsident offensichtlich glaubt, dass nur ein „ewiger Krieg den ewigen Frieden“ sichern kann, wie es der amerikanische Autor Gore Vidal ausdrückt.

Warum gehen wir nicht einfach davon aus, dass die Zeiten vorbei sind, in den wir den Krieg bekämpfen mussten. Jetzt werden wir den Frieden gestalten. Wir werden bewusst keine Kriege mehr haben und uns täglich darüber freuen. Wir leben ab jetzt in der Nachkriegszeit und nie mehr in einer Zwischenkriegszeit.


Heinz Auernig Graz, 28. Mai 2004

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