Deutsch Bosnische Kulturakademie Hamburg e.V

Der Verein dient der Pflege, Förderung und Vermittlung von Kunst und Kultur zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bosnien und Herzegowina, der Weiterentwicklung des deutsch-bosnischen Sprachendialogs und der Talentförderung von Kindern und Jugendlichen in Zentralbosnien. Der Verein erstreckt seine Tätigkeit in Bosnien und Herzegowina besonders auf Zentralbosnien, weil hier alle Völkergruppen des ehemaligen Jugoslawien wie Serben, Kroaten, Muslime, Roma usw. zusammenleben.

 

Aus dem Schweriner Express vom 02.05.2001

Erinnerung an eine vergessene Krisenregion
Die große Not ein wenig lindern

Kulturvereinigung sammelt Hilfsgüter, Auswärtiges Amt finanziert den Transport nach Bosnien

Die Deutsch Bosnische Kulturvereinigung Hamburg / Mecklenburg – Vorpommern will dem Therapiezentrum für mental schwerstgeschädigte Patienten im zentralbosnischen Fojnica helfen.
Das Gesicht einer jungen Frau presst sich an das vergitterte Fenster, der leere Blick verliert sich in unbestimmbare Ferne. Apathisch liegen Kinder in ihren Betten, starren an die Decke. Etwa zwölf sind es in dem kleinen Raum. Bett an Bett – Hoffnungslosigkeit kompakt. Wer in Fojnica bei Sarajevo strandete, ist Opfer des brutalen Bürgerkrieges auf dem Balkan. Da sind Menschen, die „durch den Krieg ihren Verstand verloren“, sagt Emina Kamber. Die in Hamburg lebende bosnische Schriftstellerin und Malerin kam erst in der vorigen Woche aus Bosnien zurück, die Bilder menschlichen Elends noch lebendig vor Augen. 60 Krankenschwestern kämpfen in Fojnica gegen die Hoffnungslosigkeit an, betreuen die Patienten so gut es eben geht. Aber es geht nicht sehr gut. Der Mangel drückt an allen Ecken und Enden. Das arme Bosnien ist außerstande, der Einrichtung die nötige materielle Basis zu sichern. Zumal sich weder Serbien noch Kroatien um ihre hier behandelten Landsleute kümmern.
„Es fehlt an allem“, sagt Emina Kamber: „Mitunter müssen die Menschen hier sogar hungern.“ Dagegen will die Deutsch-Bosnische Kulturvereinigung etwas tun. Schon während des Bosnienkrieges hatte Emina Kamber schon von Hamburg aus mehrere Hilfstransporte in ihre Heimat auf den Weg gebracht. 1999 gründete sie die Deutsch-Bosnische Kulturvereinigung. Vom Beginnn mit dabei sind die in Hundorf bei Schwerin lebende Verlegerin Astrid Kubowsky und ihr Mann, der Schriftsteller Manfred Kubowsky. Die Vereinigung setzt sich für den kulturellen Austausch ein, doch zunehmend, so sagt Astrid Kubowsky, sei die humanitäre Hilfe in den Vordergrund gerückt. Nachdem die Veriensmitglieder bei Privatreisen dringend benötigte Hilfsgüter mit nach Bosnien genommen hatten – so fand im letzten Oktober sogar ein Rollstuhl seinen Weg zu der zehnjährigen Amela Dubravac ins bosnische Tesanj – reifte in diesem Frühjahr die Idee, einen größeren Transport auf die Reise zu schicken. Hilfsgüter von Krankenhausbetten, Rollstühlen, Badewannenliften bis Verbandsmaterial, von Wegwerfwindeln für Kinder und Erwachsene bis zu Babyflaschen hatte Astrid Kubowsky aufgetrieben. Doch es haperte am Transport. Die rund 5000 Mark dafür hatte der Verein nicht. „Wir helfen in einer Region, die derzeit nicht in den Schlagzeilen ist“, sagt sie. Dafür sei es schwer finanzielle Hilfe zu aktivieren. Doch Astrid Kubowsky blieb hartnäckig und erhielt vom Auswärtigen Amt 4400 Mark als Vollfinanzierung für den Hilfstransport.

 

Aus dem Hamburger Abendblatt vom 21.10.2000

Blumen und Bäume gegen den Krieg

Sie ist keine die wegschaut angesichts des Elends, das der Krieg über Bosnien brachte. Emina Kamber, die von dort stammt, packt an: In ihren Projekten bekommen bosnische Jugendliche Bildung: Nur so können sie das Grauen vergessen und ihr Land wieder aufbauen.

Ruhe scheinen diese braunen Augen seit acht Jahren nicht mehr zu kennen. Sie wandern ständig hin und her. Mal verweilen sie für einen Moment auf ihrem Gegenüber, dann wandern sie weiter, fixieren einen Gegenstand, ein Bild oder irgendeinen Punkt, den nur sie sehen können. Das sind dann die Momente, an denen Emina Kamber die Grenze zwischen Lachen und Weinen überschreitet.
Wie gerade jetzt. Oft, sagt sie schluckend,“können die Jugendlichen gar nicht normal leben, weil sie sich von ihren Erlebnissen und Geschichten während des Krieges überhaupt nicht befreien können.“ Sie schweigt, Tränen schießen in ihre Augen. Das passiert ihr immer, wenn die Bosnierin an die Zukunft denkt.
Vergangenheit und Gegenwart, das ist kein Problem für die Schriftstellerin, die seit 1968 in Hamburg lebt. Aber die Zukunft ? „Ein Albtraum“, flüstert sie leise, dreht ihren Kopf zur Seite und errötet, weil sie ihre Tränen nicht zurückhalten kann.
Dabei hat Emina Kamber den Krieg in ihrer Heimat aus der Ferne beobachtet. 1992, als der damalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosovic seine Bluthunde Karadzic und Mladic von der Leine ließ, hat sie ihre Familie daheim in einem kleinen Nest bei Visoko in Zentralbosnien noch gewarnt. „Ihr müsst fliehen, weg hier“, hat sie Schwestern und Eltern angefleht. Die schüttelten den Kopf, blieben in ihrer Heimat. Für Emina Kamber eine unverständliche Entscheidung. Schließlich hatte der Vater, unter Tito ein überzeugter Kommunist und zugleich ein liberaler Muslim, sie Ende der Sechzigerjahre noch bestärkt, das Land zu verlassen, um in der Ferne ihr Glück zu versuchen. „Mein Gott, wer von uns Jugoslawen hat damals nicht an Deutschland gedacht und hat sich nicht gewünscht, dort zu arbeiten?“, sagt sie. Fast entschuldigend, schüchtern wie ein frisch verliebter Teenager. Um so weniger kann sie in diesen ersten Kriegstagen die Haltung der Verwandten verstehen. Es braucht schließlich keine prophetische Gaben, um zu erkennen, was in den kommenden drei Jahren in ihrer Heimat passieren wird. „Als von der Post die jugoslawische Fahne heruntergerissen und die kroatische gehisst wird, zeichnet sich ab was passieren sollte“, sagt sie. Jener Krieg, dem die Menschen in Europa kopfschüttelnd und hilflos gegenüberstehen. In dem alle denkbaren Allianzen möglich sind: Hier orthodoxe Serben und bosnische Muslime gegen die katholischen Kroaten, dort Katholiken und Orthodoxe gegen Muslime, dann wieder Bosnier und Kroaten gegen Serben. „Wir haben es doch selbst kaum verstanden“, flüstert Kamber, und es klingt wie ein Geständnis. Auch wegen dieser Tatsache gerät sie unvermittelt in Rage, wenn sie über Alja Izetbegovic spricht, der bis zum vergangenen Montag als eines von drei Staatsoberhäuptern in dem serbisch-kroatisch-bosnischen Staatspräsidium regierte.
„Erst wenn alle die weg sind, die schon während des Krieges unsere Geschicke bestimmten, haben wir die Chance, uns der Zukunft zu stellen“, sagt Emina Kamber. Ihr Gesicht wirkt in diesem Moment versteinert, kompromisslos. Die Zukunft Bosniens ist der Motor, der sie antreibt. Sie, die während des Krieges die deutsche Staatsangehörigkeit annahm. „Ich hatte doch gar keine andere Wahl“, sagt sie, als müsste sie sich rechtfertigen. Unentwegt schleppt sie Medikamente, Kleider und Spielzeug zum Hamburger Busbahnhof (ZOB). Und gründete im Mai diesen Jahres die „Deutsch-Bosnische Kulturakademie Hamburg“. Denn, ist die 53 Jahre alte Schriftstellerin überzeugt, die Menschen in Bosnien, „lechzen nach Bildung. Besonders die Jugendlichen. Aus einem einzigen Grund: Nur so können sie unsere Heimat wieder aufbauen.“ Ganze Generationen seien traumatisiert, „klaustrophobisch geworden“. In den bosnischen Kulturakademien, das ist Emina Kambers Ziel, sollen sich Kinder und Jugendliche von „ihren Kriegseindrücken befreien können“. Im Zentralbosnischen Visoko soll ein Förderzentrum aufgebaut werden, in dem Jugendliche mit schulischem Problemen genauso gefördert werden sollen wie hoch –oder künstlerisch Begabte. Unterricht in geisteswissenschaftlichen Fächern, aber auch in Tanz, Malerei oder Literatur. Und in Textildesign. Alle zwei, drei Monate lehrt Emina Kamber, die früher einmal diesen Beruf erlernte, selbst in Visoko. Schließen die Jugendlichen ihr Förderzentrum mit einem Zertifikat ab, ist ihnen der Weg an die Textil-Fachhochschulen in der Hauptstadt Sarajevo und in Visoko geebnet.
Auch wenn das für die Teenager in einem Land, in dem zwischen 60 und 80 % der Menschen arbeitslos sind, eine Perspektive ist, für Emina Kamber ist das nur ein Nebeneffekt. „Im ersten Trimester haben die Kinder explodierende Häuser in grau und braun gemalt“, erzählt sie. Im zweiten Kurs begannen die Kids „bunte Blumen und Bäume zu malen, an die sie sich aus der Zeit vor dem Krieg erinnern“. Genau das ist für die gebürtige Bosnierin der Weg, auf dem das zerstörte Land seinen Weg in die Zukunft finden kann. Längst verlassen die Jugendlichen, die während ihrer Flüchtlingszeit in Deutschland qualifizierte Abschlüsse an Haupt – über Berufsschule bis zum Gymnasium gemacht haben, Bosnien. „Sie sind ohne Perspektive“, stellt Norbert Falkowski von der deutschen Botschaft in Sarajevo nüchtern fest. Bunte Bilder, das sind für Emina Kamber fünf Jahre nach dem Friedenschluss von Dayton der erste Schritt. „Danach können wir mit dem Wichtigsten beginnen“, sagt sie, und es sprudelt förmlich aus ihr heraus. „Wir haben keine Zeit für Rachegefühle und all diese Dinge. Unser Leben ist kurz, die Zeit damit zu verschwenden. Stellen wir uns dem Leben und der Zukunft“, sagt sie. Ihre Hände, meist zu Fäusten geballt und krampfhaft in den Schoß gelegt, als müsste sie dort zwischen den Beinen festgeklammert werden, öffnen sich, recken sich nach oben. Lachen beherrscht das Gesicht der Bosnierin. Es wirkt entspannt, weich. Und zum ersten Mal spiegelt die schwarze Kleidung, die sie trägt, nicht ihr Innerstes.

Aus der taz Hamburg vom 24.07.2000

Explodierende Gebäude in Grau
Bildung für traumatisierte Kinder und Jugendliche: Die bosnische Künstlerin Emina Kamber gründet die „Deutsch-Bosnische Kulturakademie Hamburg“

Man kann allerlei Idealistisches reden über multikulturelles Zusammenleben und Hilfe, die man Menschen in fernen Ländern angedeihen lassen sollte. Doch wenn es ums Handeln geht, entsteht meist betretenes Schweigen. Emina Kamber schweigt nicht. Schon seit Jahren leistet die in Hamburg lebende bosnische Autorin und Malerin jede erdenkliche Hilfe für ihre Landsleute, beherbergte jahrelang Flüchtlinge und bringt regelmäßig Medikamente und Kleidung zu den Bosnien-Bussen am ZOB.


Aber das genügt ihr nicht: „Die Menschen dort – besonders die Jugendlichen – brauchen Bildung, damit sie ihr Land wieder aufbauen können.“ Und deshalb hat sie vor zwei Monaten die „Deutsch-Bosnische Kulturakademie Hamburg“ gegründet, die ein Verein tragen soll und für die sie sich städtische Zuschüsse erhofft. Nun ist es nicht so, dass es in der zentralbosnischen Stadt Visoko, wo die bosnische Sektion der Kulturakademie entstehen soll, keine begabten Schüler gäbe. Aber „die Menschen sind durch die Kriegserlebnisse traumatisiert“, sagt Kamber. „Sie sind klaustrophobisch geworden; viele Kinder haben Eltern oder Geschwister verloren.“
Und hier möchte Emina Kamber ansetzen: „Diese Jugendlichen können die schulischen Leistungen oft deshalb nicht erbringen, weil sie sich von den Kriegseindrücken nicht befreien können.“ Deshalb will sie in Visoko ein Förderzentrum aufbauen, in dem sowohl versetzungsgefährdete als auch künstlerisch besonders begabte Jugendliche kostenlos in geisteswissenschaftlichen Schulfächern, aber auch in Literatur, Malerei und Tanz unterrichtet werden sollen. „Wir wollen die Jugendlichen auf die Aufnahmeprüfungen der Fachschulen vorbereiten, um ihre Chancen auf qualifizierte Ausbildung zu verbessern.“
Einen Anfang hat Kamber bereits gemacht: Seit September vorigen Jahres fährt sie alle drei Monate für zwei Wochen nach Visoko, um Mal –und Textildesign-Kurse für Kinder und Jugendliche abzuhalten; das erste Trimester wird im September mit einem Zertifikat abschließen. Das nach weiteren drei Jahren ausgestellte Zeugnis wird den Absolventen den Zugang zur Textilfachschule in Sarajevo und Visoko ermöglichen; dies haben ihr die bosnischen Behörden zugesagt.


Und obwohl Emina Kamber erst drei Trimester lang unterrichtet hat, seien die Fortschritte der Schüler doch enorm: „Im ersten Kurs haben die Kinder explodierende Gebäude in grau und braun gemalt. Im zweiten Trimester fingen sie an, bunte Pflanzen zu malen, an die sie sich aus der Vorkriegszeit errinerten. Diese wiedererwachende Kreativität müsse man fördern – und deshalb soll auch dieses Projekt Teil der Arbeit der Kulturakademie sein. Daneben soll die Akademie in Visoko vor allem Sprachkurse anbieten – und hier möchte Emina Kamber auch an die im Exil erworbene Deutschkentnisse der Jugendlichen anknüpfen: „Natürlich hat das Exil unangenehme Erinnerungen hinterlassen. Die Sprachkenntnisse haben die Jugendlichen aber trotzdem mitgenommen – und warum sollen sie die nicht vertiefen, wo sich doch z.B. Mercedes Benz und andere westliche Firmen derzeit in Bosnien ansiedeln und Praktika anbieten, für die Deutschkenntnisse erforderlich sind?“ Sich in diesem Punkt an den Westen anzupassen, sei eine schlichte wirtschaftliche Notwendigkeit, sagt Kamber.
Welchen Themen soll sich aber der Hamburger Brückenkopf der Kulturstiftung widmen? „Wir möchten eine Begegnungsstätte für Exil-Autoren schaffen, die sich über ihre Erfahrung austauschen können, um so eine gemeinsame Identität zu finden. Wir möchten, dass sich diese Autoren zu einer Gruppe zusammenfinden, die sich auch gegenüber Verlagen besser zu behaupten lernt“, erklärt Kamber.


Ein Netzwerk möchte sie also bilden; außerdem sollen Veranstaltungen stattfinden, die Zusammenhänge zwischen scheinbar verschiedenen Kulturen aufzeigen sollen. Warum z.B. soll man – anlässlich eines Flamenco–Abends – nicht mal über die Parallelen zwischen maurischen Rhythmen und orientalischen Elementen bosnischer Volksweisen reflektieren ?
„Denn letztlich“, sagt Emina Kamber, „haben wir alle einen gemeinsamen Ursprung.“



 

 

Bildung für traumatisierte Kinder und Jugendliche

 
 
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